Fürsorgepflicht

Das Thema mit der Fürsorgepflicht ist ein Spannungsfeld. Hierbei muss der Arbeitsgeber immer abwägen, was dem Schutz der Mitarbeiter dient und wie weit die Eigenverantwortung eine Rolle spielt. Es ist wahrlich nicht einfach. Sobald aber eine Gefährdung für die Beschäftigten erkennbar wird, ist ein gewisser Handlungsbedarf gegeben.

Was genau bedeutet „Eine Gefährdung darstellen?“

Eine Gefährdung für sich selbst und andere Personen liegt vor, wenn Gesundheitsschäden durch eine Gefahrenquelle oder das Verhalten anderer Personen entstehen können. Ein Mitarbeiter der unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen Suchtmitteln, wie Drogen und Medikamenten steht, ist in der Regel in Konzentration und Reaktionsvermögen eingeschränkt. Demnach kann eine sichere Erfüllung der Arbeitsaufgabe nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet werden. Der entsprechende Mitarbeiter darf auf keinen Fall weiterarbeiten und die Führungskräfte sind nach den Unfallverhütungsvorschriften dazu verpflichtet, den sicheren Heimtransport zu gewährleisten.

Unterlassene Hilfeleistung, aber wo kein Kläger, da kein Richter

Unterlassen die Vorgesetzten diesen Schritt, begehen Sie eine Verletzung der Fürsorgepflicht, was eine strafbare Handlung darstellt. Es ist nicht zulässig den Mitarbeiter allein nach Hause gehen zu lassen.

Der Arbeitgeber, meist vor Ort durch die Führungskräfte vertreten, ist dazu verpflichtet, die Arbeitssicherheit für alle Beschäftigten zu gewährleisten. Wegeunfälle auf direktem Weg zum oder vom Arbeitsplatz, zählen zu den Arbeitsunfällen. Somit ergibt sich auch dadurch die Verantwortung des Arbeitgebers, wenn diesem bekannt ist, dass der alkoholisierte Mitarbeiter nicht in der Lage ist, diesen Weg gefahrlos zu beschreiten.

Nachlesen lässt sich die Rechtslage u.a.:

Es kommt relativ selten vor, dass eine Anklage gegen den Arbeitgeber durch die Mitarbeiter erfolgt. Anders sieht es aus, wenn etwas passiert. Dann geht Justitia Ihren Weg…

Wie sieht es bei Erkältungskrankheiten mit der Fürsorgepflicht aus?

Eine Erkältung ist eine Infektion, bei der der Körper gegen Viren oder Bakterien kämpft. Das Immunsystem ist geschwächt und der ganze Körper kraftlos. Gleichzeitig besteht die Gefahr, andere Personen anzustecken. Klar kann der Mensch auch ohne Symptome ein Überträger von Krankheitserregern sein, dennoch ist es bei Husten mit Auswurf offensichtlicher. Es gehört zum Allgemeinwissen und bedarf keiner weiteren qualifizierten Ausbildung um zu verstehen, dass eine nicht auskurierte Erkältung ernsthafte Folgen nach sich ziehen kann. Herzmuskelentzündung und Hirnhautentzündung können solche Folgekrankheiten sein.

Natürlich trägt jeder Mitarbeiter für sich eine eigene Verantwortung und sollte den Arzt aufsuchen. Oftmals bleibt es eben nicht beim kleinen Kratzen im Hals und einige Führungskräfte sehen die Beschäftigten lieber mit Schniefnase am Arbeitsplatz.

Wann verstößt eine Führungskraft gegen die Fürsorgepflicht?

Der Kreislauf kann auch bei einer Erkältung versagen, so dass die sichere Arbeit nicht mehr gewährleistet werden kann. Kommt zu einer Erkältung eine Bronchitis hinzu, erschwert körperliche Anstrengung den Genesungsprozess erheblich. Allein das ist der Grund für die Führungskraft aktiv zu werden und den kranken Mitarbeiter nach Hause zu schicken. Tut er dies nicht, verhindert der Arbeitgeber die Genesung der kranken Beschäftigten. Gleichzeitig verstößt der Chef gegen die Fürsorgepflicht.

Vor ein paar Monaten, war es für viele Chefs selbstverständlich, dass die Bäckereifachverkäuferin krank auf die Brötchen hustet. Heute ist ein ansatzweiser Husten ein sofortiger Grund, wegen dem C-Virus einer gefährlichen Bestrafung entgegenzulaufen.

Wie sieht es mit Beschäftigten im Lebensmittelgewerbe aus?

Beschäftigte im Lebensmittelgewerbe sind solche, die Lebensmittel verarbeiten oder herstellen. Laut Infektionsschutzgesetz § 42 besteht sogar ein Beschäftigungsverbot für Tätigkeiten in Küchen von Gaststätten und sonstigen Einrichtungen, in denen die Erkrankten mit Feinkost, Rohkost und Backwaren usw. in Berührung kommen. Das fängt bei Durchfall an und hört bei ernsthaften Erkrankungen auf. Die Mitarbeiter sind verpflichtet solche Erkrankungen zu melden, der Arbeitgeber muss diesem ein Beschäftigungsverbot erteilen. Plötzlicher Durchfall ist ein Hinweis darauf, dass folgende Passage aus dem § 42 IfSG zutreffen ist:

„anderen infektiösen Gastroenteritis oder Virushepatitis A oder E erkrankt oder dessen verdächtig sind“.

Konzentration bei Krankheiten

Dass Konzentrationsfähigkeit und Reaktionsvermögen beim Konsum von Rauschmitteln herabgesetzt sind, leuchtet uns allen ein. Wie aber sieht es bei Erkältungen aus? Brauchen wir dafür Studienergebnisse? Um diese Frage zu beantworten, ziehen wir eine ganz wichtige Studie heran: Unsere allgemeine Lebenserfahrung!

Wenn nachts die Nase verstopft ist und wir dauernd husten, ist es mit dem Schlaf nicht weit her. Wie sich das auf unsere Konzentration auswirkt, kennen wir also. Zahlreiche verschreibungsfreie Medikamente für alle Wehwehchen enthalten einige Spuren von Alkohol oder sonstige müde machende Bestandteile. Es trifft der Spruch zu:

„Eine Reaktion, wie eine Schlaftablette“

Ist so ein sicheres Arbeiten möglich?

Fürsorgepflicht bei Kurzfristigen Erkrankungen um Langzeitschäden zu vermeiden

Erkältungskrankheiten sind i.d.R. auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt. Meist ist die Unpässlichkeit bei ausreichender Schonung innerhalb einer Woche erledigt. Es gibt so „typische Erkältungswellen“ im Januar oder Februar, an denen sich solche Erkrankungen häufen. Auch die Monate Oktober und November sind voll von schniefenden Triefnasen.

Meist trifft es jeden einmal. Es muss im Interesse der Arbeitgeber liegen, den Beschäftigten die Möglichkeit einzuräumen, sich ordnungsgemäß auszukurieren. Körperlich anstrengende Arbeiten, bspw. im Restaurant, in der Bäckerei oder der Metzgerei, haben mit Ausruhen so wenig gemeinsam, dass es kaum lohnt den Satz weiterzuführen.

Ernsthafte Folgeerkrankungen sind am Ende nicht nur für die Mitarbeiter ein Problem, sondern auch für die Leitungsebene. Denn die kommenden Fehlzeiten sind wesentlich. Kein Arzt wird es verantworten, einen Patienten mit Herzmuskelentzündungen nach drei Tagen wieder zur Arbeit zu schicken! Nicht jeder Schnupfen zieht so etwas Gravierendes nach sich. Genau darin liegt das Problem: mangelnde Sensibilität und das Hemmnis der Fürsorgepflicht in diesem Punkt!

Was ist mit dem Süchtigen, der mehrfach unter dem Einfluss von Suchtmitteln stand? Mal mehr und mal weniger heftig. Gab es eine kurze Krise, in der es ein paar Tage vorkam, oder zog sich das bisher über einen längeren Zeitraum durch? Es ist nicht zu erwarten, dass sich eine Suchterkrankung furchtbar schnell bessert. Die Ursachen sind sicher verschieden, aber in der Regel steckt eine tiefgehende, seelische Erkrankung hinter dem Problem. Der Arbeitgeber muss damit rechnen, dass sich diese Vorfälle wiederholen.

Damit nicht genug, er muss auch damit rechnen, dass der betroffene Mitarbeiter sowohl auf dem Arbeitsweg, als auch am Arbeitsplatz eine Gefährdung für sich selbst und für Dritte darstellt. Ist es nicht fahrlässig, bei ein paar unauffälligen Tagen zu schweigen?

Ist es nicht sinnvoller, immer wieder Therapieangebote zu geben und zu signalisieren, dass ein Arbeitsplatz auch nach längerer therapeutisch bedingter Ausfallzeit mit Sicherheit noch zur Verfügung steht?

Was muss eine Führungskraft tun, wenn Sie mitbekommt, dass sich der Beschäftigte öfter in Gefahr begibt, körperlich missbraucht und misshandelt wird? Nur weil er betrunken ist? Reicht es aus zu sagen: „Naja dienstlich geht es ja gerade“?

Sicherlich ist es schwierig die Unfallverhütungsvorschriften dahingehend zu interpretieren. Ethisch und moralisch gibt es aber nur eine Antwort!

Die Rolle des Betrieblichen Gesundheitsmanagements bei der Fürsorgepflicht

Das Betriebliche Gesundheitsmanagement geht über die klassischen Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes hinaus. Dabei geht es nicht nur um den Erhalt der Gesundheit, sondern um die Förderung, also die Verbesserung der Gesundheit aller Beschäftigten. Das Bewusstsein und die Sensibilisierung dieser Thematik stehen im Mittelpunkt des Konzeptes. Dabei ist die genannte Fürsorgepflicht nur ein einziger Bestandteil.

Es ist nicht nur die Aufgabe die Beschäftigten vor Schaden zu bewahren und die Risiken bei Krankheit, Sucht oder mangelhaft ausgestatteten Arbeitsplätzen zu minimieren. Vielmehr geht es auch darum, die Gesundheit zu stärken. Die Beschäftigten bekommen Anreize um sich selbst gesundheitsbewusster zu ernähren, anders bzw. mehr zu bewegen und bei Krankheit zu schonen. Der Arbeitgeber geht mit gutem Beispiel voran und vermittelt den Beschäftigten die Botschaft:

Euer Wohlbefinden liegt uns am Herzen! Gesunde Mitarbeiter können ein gesundes Unternehmen gestalten!

Es mag ja sein, dass diese Botschaft als Maßnahme mit positiver Außenwirkung so dahingesagt wird, aber die Wirkung auf die Beschäftigten ist wie ein Lob.

Die Unternehmer haben einen Betrieb, der sich etabliert, einen guten Ruf hat und schwarze Zahlen schreibt. Die Mitarbeiter haben einen sicheren Arbeitsplatz, an dem Sie gern arbeiten.

Durch den Vorbildcharakter des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) profitieren die Mitarbeiter selbst und gelangen durch Erkenntnis und Überzeugung zu einem eigenen Gesundheitsmanagement, dem Persönlichen Gesundheitsmanagement (PGM).

Ohne BGM läuft es nicht

In einem Betrieblichen Gesundheitsmanagement geht es in erster Linie darum, die Gesundheit der Mitarbeiter zu verbessern. „Verbessern“ setzt voraus, mindestens dafür zu sorgen, dass die Menschen am Arbeitsplatz nicht durch diesen krank werden. (Arbeitssicherheit). Fehlzeiten werden analysiert und Maßnahmen abgeleitet, diese krankheitsbedingen Ausfallzeiten zu reduzieren. Gleichzeitig natürlich immer in Korrelation mit dem Präsentismus.

Wie ein BGM organisiert werden soll, ist im Groben gleich, aber dennoch individuell.

Wichtig ist aber, dass sich Mitarbeiter und Führungskräfte gegenseitig akzeptieren und auch respektieren. Insbesondere dann, wenn jemand erkrankt ist. Auch ein „Nachhause schicken“ ist Bestandteil der Gesundheitskultur, wenn es der Genesung der Erkrankten dienlich ist. Ein Betriebliches Gesundheitsmanagement ist eben kein starrer Fahrplan. Es reicht schon aus, wenn das Thema „Gesundheit und Sicherheit“ ernsthaft wahrgenommen und gelebt wird.

Sind die Fehlzeiten zu lang, also wenn die Mitarbeiter länger als 6 Wochen am Stück oder insgesamt 6 Wochen mit Unterbrechungen krank sind, muss der Unternehmer laut § 167 Absatz 2 im SGB IX, ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anbieten. Wie dieses konkret abzulaufen hat, ist nicht Teil des Gesetzes. Das ist Fluch und Segen zugleich.

Auf der einen Seite lassen sich so unternehmensindividuelle Gegebenheiten leichter berücksichtigen, andererseits ist das Vorgehen nicht klar definiert und damit auch nur schwer einklagbar. Neben der gesetzlichen Pflicht gilt das bisher geschriebene:

Ein faires und respektvolles Miteinander, erleichtert das gesamte Leben!

Ob gesund oder krank, das Leben hat viele Facetten. Nebenbei gibt es ein Privat- und ein Berufsleben!

Solange eine Fürsorgepflicht nur aus dem Gesetzeswerk bzw. den Unfallverhütungsvorschriften abgeleitet wird, ist die Thematik noch nicht einmal am Anfang!