Suchtprävention ist Führungsaufgabe

Es ist ein Hin und Her mit den Suchterkrankungen! Diskretion ist ein notwendiger Baustein für Betroffene. Obwohl immer mehr Menschen sich trauen eine psychische Erkrankung wie Depressionen, Burn-out oder ähnliche Probleme zuzugeben, ist es doch gegenüber dem Arbeitgeber schwieriger.

Die Akzeptanz als Krankheit lässt sich meist dann steigern, wenn die Patienten laienhaft erklären können: „Na ja, die Neurotransmitter sind nicht ganz im Gleichgewicht, meine Tablette regelt das …“ Todesfälle einer geliebten Person sind für Außenstehende leicht nachvollziehbar.

Magersucht und Adipositas erkennen wir an der Optik, obwohl es dabei schon etwas schwieriger wird. Denn Aussagen wie: „Das ist ein Wohlstandbauch!“, „Besser zu schlank als zu dick“, verschleiern diese Thematik ein wenig. Bei Suchterkrankungen, wie Alkohol und Drogen, wird es komplizierter. Die seelische Erkrankung, die dahintersteckt, wird durch: „Wieder ein solcher Suffkopf!“, oder „Oh diese kriminellen Drogenjunkies!“ abgetan. Umso schwerer fällt es den Betroffenen, offen mit der Thematik umzugehen. Vorurteile und Beschimpfungen werden dann zu stark. Oder die Befürchtung, sich einem Hagel Vorwürfen und Abwertungen aussetzen zu müssen, hemmt das offene Gespräch. Beide Suchtmittel beeinträchtigen sowohl Konzentration als auch Zuverlässigkeit.

Verschleiern der Suchterkrankungen in der Außenwirkung sind die modernen Lügen

Die Außenwirkung auf einen Arbeitgeber ist leider ein Kriterium, welches erheblichen Schaden anrichten kann. Die Betroffenen selbst sind nicht so recht in der Lage, aus dem Dilemma herauszukommen. Der Druck steigt, die Schauspielkunst ist gefordert und die Süchtigen überfordert! Damit der Schmerz nicht zu stark wird, geht der Kreislauf weiter. Die kurzfristige Schmerzlinderung in die langfristige Spirale. Eine Selbstlüge wird gefördert!

Die Auswirkungen der Suchterkrankungen müssen mit aller Macht vertuscht werden. Ein Spiel mit Lügen und Tarnung nimmt seinen Lauf. Eine Zeit geht es gut, dann entstehen immer mehr Probleme. Kollegen und Führungskräfte scheuen den Konflikt, wollen auch die Beschäftigten nicht bloßstellen. Auf keinen Fall dürfen die Erkrankten im Dienst ausfallen, schon gar nicht länger. Und nun?

Was ist die „Fürsorgepflicht des Arbeitgebers“?

Was genau bedeutet „Fürsorgepflicht des Arbeitgebers“? Wie soll die Sicherheitsfachkraft beraten? Wessen Aufgabe ist das? Betriebsarzt? Personal- und Betriebsräte?

Ein großer Kreis an involvierten Personen reduziert die Diskretion. Die ist aber für die erkrankten Beschäftigten wichtig, um sich zu outen.

Bedeutet Fürsorgepflicht, dass der Arbeitgeber dafür sorgen muss, dass der Beschäftigte durch die Arbeit keinen gesundheitlichen Schaden nehmen darf? Oder bedeutet das auch, dass der Arbeitgeber, wenn er Kenntnis darüber hat, dass die Patienten im privaten Umfeld gefährdet sind (durch offensichtliche Unachtsamkeit im Straßenverkehr, durch gewalttätige Partner/ Freunde, infektiöse Kanülen etc.) Hilfe anbieten sollte?

Nehmen die Betroffenen einen zusätzlichen seelischen Schaden, wenn sie sich vor Kollegen und Kunden durch die veränderte Persönlichkeit bloßstellen? Wenn über sie getuschelt wird? Wenn der Ruf beschädigt wird?

Ist vielleicht genau das Diskretionsbedürfnis das eigentliche Problem? Die Thematik verschweigen, das Unverständnis des Umfeldes fördern? Ein großer Raum für Spekulationen.

Im Betrieb offen mit den Suchterkrankungen umgehen – Oben beginnt es

Kunden dürfen auf keinen Fall merken, dass wir Suchtkranke beschäftigen.“ Wenn wir ohnehin die Thematik kennen, aber uns nicht trauen offen über das Problem zu reden, wie sollen sich dann die Süchtigen trauen, sich zu outen und Hilfe anzunehmen? Was für ein Getuschel, wenn sie plötzlich mehrere Wochen von der Bildfläche verschwinden oder entlassen werden.

Die Androhung einer Kündigung, die allerdings aufgrund von Personalmangel ein „zahnloser Tiger“ ist, stellt sicherlich keine optimale Hilfestellung dar und zeigt den Betroffenen, dass es dem Arbeitgeber offenbar egal ist. Sanktionen ohne vorherige Hilfsangebote sollten nicht im Gedankengut eines Unternehmers sein. Denn eines sollten alle Entscheidungsträger im Hinterkopf behalten:

Eine Suchterkrankung gehört zu den seelischen Krankheiten. In der Regel ist es dabei nicht mit „Einmal sagen“ getan. Dies liegt nicht an den Erkrankten selbst, sondern im Wesen der Suchterkrankungen!

Eine neue Kultur zum Nachdenken

Was würde passieren, wenn der Arbeitgeber klare Signale sendet?

Liebe Beschäftigte, wir schätzen Euch aufrichtig und freuen uns, Euch in unserem Team zu haben. Ihr leistet einen wertvollen Beitrag und wir möchten, dass es Euch gut geht. Lasst Euch bei der Bewältigung Eurer Erkrankung professionell helfen. Uns ist bewusst, dass ein Klinikaufenthalt lange dauern kann. Dafür werdet Ihr Euch hinterher besser fühlen und ein ruhigeres Leben führen können. Euer Arbeitsplatz ist durch eine Therapie keinesfalls in Gefahr und wir freuen uns, wenn Ihr uns danach mit Eurer Kompetenz und Eurer Persönlichkeit weiterhin bereichert.

Das hätte den folgenden Leitsatz eines Unternehmens zur Folge:

Unsere Beschäftigten liegen uns am Herzen. Wir kämpfen mit Ihnen gemeinsam gegen die Erkrankung und für unsere gemeinsame Zukunft!

Alle Akteure im Arbeits- und Gesundheitsschutz, ob Führungskraft, Betriebsarzt, Sicherheitsfachkraft und Mitarbeitervertretung können so viel besser beraten und unterstützen! Es ist um einiges leichter.